Häufig wollen gewaltbetroffene Personen ihr Geheimnis bewahren. Sie schämen sich, fühlen sich schuldig. Sie fürchten sich vor den möglichen Konsequenzen, wenn sie über das Erlebte sprechen.
Gewalt in der Beziehung
In Ihrem Berufsalltag werden Sie Personen antreffen, die sich in verschiedenen Phasen der Gewaltspirale befinden. Ihre Reaktion auf die Person und ihr Verhalten kann einen grossen Unterschied ausmachen. Beziehen Sie also klar Stellung zum Thema Gewalt.
Die verschiedenen Phasen der Gewaltspirale sind auf den Seiten 8 und 9 der Broschüre Und wenn das Gewalt ist in meiner Partnerschaft? erklärt. Siehe gegenüber.
Auch wenn es oftmals schwierig ist festzustellen, wer Gewalt ausübt und wer sie erfährt: Sprechen Sie mit den involvierten Personen getrennt und vermeiden Sie, zwischen den Beiden zu vermitteln (damit laufen Sie Gefahr, die Person, die der Gewalt ausgesetzt ist, erneut in die Opferrolle zu drängen). Sie können beispielsweise:
- Zuhören, ohne die Person zu verurteilen, und ihr glauben;
- Verfügbar sein und den Kontakt aufrecht erhalten, auch wenn sich die Person noch nicht an eine Fachstelle wendet;
- Ihr helfen sich darüber Gedanken zu machen, dass sie von Gewalt betroffen ist und welche Folgen ihr Verhalten hat;
- Sie über die Hilfsstellen und die Unterstützungsangebote informieren sowie präzisieren, dass die Erstgespräche dort kostenlos sind;
- Sie dazu ermutigen, diese Stellen zu kontaktieren und deren Angebote in Anspruch zu nehmen; ihr anbieten, sie bei diesem Vorgehen zu unterstützen;
- Ihr Einverständnis einholen, um mit einer Fachperson über ihre Situation zu sprechen; ihr anbieten, sie zu begleiten; sie über Ihre Pflichten informieren. Zum Beispiel: Die Pflicht zur Meldung einer Situation an die zuständigen Behörden, wenn das Paar Kinder hat, deren Entwicklung gefährdet ist (Art. 54 kantonales Jugendgesetz).
Über den Ausdruck von Scham hinaus hat der Täter oder die Täterin oftmals das Bedürfnis, die Situation zu rechtfertigen. Die gewaltausübende Person beim weiteren Vorgehen zu begleiten heisst nicht, dass Sie ihr Verhalten billigen. Es ermöglicht Ihnen vielmehr diese Person daran zu erinnern, wie wichtig es ist, fachliche Unterstützung zu suchen.
Das Walliser Gesetz über häusliche Gewalt (GhG) garantiert Betreuungsmassnahmen für Personen, die in einer Partnerschaft oder Familie Gewalt ausüben. Darin wird präzisiert, dass das Erstgespräch bei einer Fachstelle für gewaltausübende Personen kostenlos ist und dass das weitere Betreuungsprogramm auf der Grundlage eines vorteilhaften Ansatzes in Rechnung gestellt wird, der die finanzielle Situation und die Auslagen der Familie berücksichtigt. Die Kosten dürfen nämlich kein Hindernis darstellen, um etwas zu unternehmen.
Wenn die betroffene Person noch nicht bereit ist, eine Fachstelle aufzusuchen, können Sie mit ihr verschiedene Strategien erarbeiten. Sich Gedanken über diese Szenarien zu machen, wird ihr ermöglichen, sich vor Gewalt zu schützen und/oder diese zu verhindern. Die betroffene Person kann sich auch dessen bewusst werden, dass das, was ihr widerfährt, nicht normal ist, dass die Gewalt Auswirkungen hat und inakzeptabel ist. Ausserdem wird sie sich in ihrer Suche nach Alternativen unterstützt fühlen.
Der Schutz und die Sicherheit der Opfer haben absolute Priorität.