Es wurden insbesondere folgende Empfehlungen abgegeben:
- Aufhören, Kinder als «Zeugen» zu bezeichnen: Die Kinder sind vollwertige Opfer der Gewalt in der elterlichen Beziehung und leben mit den Folgen der körperlichen, sexuellen und psychischen Angriffe sowie der systematischen Kontrolle, welche die gewaltausübende Person im Alltag der ganzen Familie ausübt.
- Bei der Festlegung von Sorge- und Besuchsrecht berücksichtigen, dass Gewalt vorliegt: Der gewaltausübende Elternteil braucht Betreuung, um sich seiner Taten bewusst zu werden, sein Verantwortungsbewusstsein zu wecken und sein gewalttätiges Verhalten zu ändern. Man kann ihm empfehlen, sich an eine Fachberatung zu wenden. Die Zivil- oder Strafbehörden können eine gewaltausübende Person unter bestimmten Voraussetzungen auch dazu verpflichten, an einem spezifischen Programm teilzunehmen. Für den Elternteil, der vom anderen Elternteil Gewalt erfährt oder erfahren hat, ist es wesentlich, dass die Behörden und involvierten Stellen die Gewalt anerkennen und berücksichtigen. Das wird dem gewaltbetroffenen Elternteil helfen, die nötigen Schritte einzuleiten, um sein Leben wieder aufzubauen und Hilfe für sein Kind zu suchen.
- Die Früherkennung der mitbetroffenen Kinder und deren Betreuung verbessern und die typischen Problematiken Jugendlicher mitberücksichtigen.
- Die Personen, die mit den Kindern und Familien arbeiten, sensibilisieren und ausbilden.
- Eine frühzeitige Prävention in den ersten Beziehungen Jugendlicher einführen.
- Bei den Kindern und Jugendlichen positive Beziehungsmodelle fördern, die von Gleichstellung geprägt sind.
- Die wirtschaftliche Autonomie der gewaltbetroffenen Mütter stärken.
- Gewalt in der Beziehung als ein Problem des Sozial- und Gesundheitswesens anerkennen.
- Studien zur sozialen und gesellschaftlichen Dimension von Gewalt in der Beziehung durchführen, namentlich über die Antworten und Reaktionen von Institutionen und Fachleuten und wie diese von den erwachsenen Gewaltbetroffenen und deren Kindern aufgefasst werden. Die Schutz und Resilienz bietenden sozialen Ressourcen ausserhalb des familiären Rahmens sollten besser bekannt sein.
Die Bedeutung einer kohärenten Botschaft
Die Gerichtsbehörden, die Polizei, die Stellen für Jugendschutz, aber auch das gesamte Netzwerk / die Gesellschaft müssen in Bezug auf häusliche Gewalt unbedingt eine kohärente Botschaft vermitteln, damit sich die Erwachsenen der Gewaltproblematik, der Auswirkungen auf die Kinder und der Notwendigkeit, etwas zu unternehmen, um von der Gewalt loszukommen, bewusst werden.
Eine klare Haltung gegen Gewalt (nicht banalisieren) ist unabdingbar. Sie ermöglicht, das Verantwortungsbewusstsein des gewaltausübenden Elternteils zu wecken und die Gewalt als Problem zu sehen – nicht die Personen.
Folgende Elemente können eine Grundlage bilden, um das Thema Gewalt mit den Eltern anzugehen:
- Die schwerwiegenden Folgen für die Kinder erklären;
- Den Mut des gewaltbetroffenen Elternteils, darüber zu sprechen, berücksichtigen;
- Sich um die Sicherheit des gewaltbetroffenen Elternteils und der Kinder kümmern;
- Allgemeine Massnahmen zum Schutz der Opfer vorsehen (getrennte Anhörungen, Schutz der Kontaktangaben des Opfers usw.).
Bei Verdacht auf Gewalt sollten die Partner besser getrennt angehört werden, damit sie sich eher trauen, über die Gewalt zu sprechen.
Veröffentlicht am 15. Juni 2022